Spice Balls – Josefstadt 2:3 (1:0)
„Pokemon Go“ war gestern. Der neue Hype mit dem Arbeitstitel „Bugging Hunt“ wird – so viel sei hier schon verraten – seit mehreren Wochen vom Trainer Eures schärfsten Teams in Wien getestet und entgegen sämtlicher unterschriebenen Geheimhaltungserklärungen hier gespoilert.
Und so funktioniert es: Der Anwender versuchen, innerhalb einer Woche eine komplette Fußballmannschaft zusammen zu suchen, wobei ihm sämtliche Social-Media-Kanäle zur Verfügung stehen. Klingt zunächst einfach, aber die Macher haben sich spezielle Widrigkeiten einfallen lassen. Man muss zuerst eine Mannschaft registrieren, und die gefundenen Spieler müssen einen dafür entsprechenden Spielerpass haben. Wenn das einmal passt poppen aber Mickey-Mouse-stimmähnliche Kommentare auf, in der Testversion waren das „ich bin beruflich verhindert“ oder „die Mitzi-Tant hat leider Geburtstag“. Im Level 2 kommen dann noch „Ich würde ja gern, bin aber verletzt“ dazu, unterstützt mit diversen Bildern von Krücken, Röntgenbildern oder einfach blutverschmierte Körperteile. Bei der Spice Balls Edition haben die Erfinder dabei etwas über das Ziel geschossen, da fitte Spieler praktisch kaum auftauchen, dagegen war selbst das Auffinden von Pikachu´s eine leichte Übung.
Der Trainer hat gestern die Testversion mit dem Kommentar: „Unbrauchbar, unrealistisch – zu einfach!“ zurückgeschickt, denn die Fiktion kann mit der Wirklichkeit nicht mithalten. In dieser stand nämlich einen Tag vor Anpfiff fest, dass es – mit Ausnahme der oben beschriebenen beruflichen oder privaten Verhinderungen - praktisch nur mehr Spieler geben würde, die mindestens einer der folgenden beiden Kategorien angehören: Verletzt oder mit einem Halbmarathon in den Beinen. Da weder compliance-widrige Zuwendungen noch Andeutungen bezüglich körperlicher Gewalt etwas nützten, drohte der Trainer in äußerster Verzweiflung, bei der jährlichen Saisonabschlussfeier Helene Fischer spielen zu wollen. Fünf Minuten später war der Kader mit 22 Spielern gefüllt. Davon 11 Verletzte und 8 Halbmarathonläufer. Obwohl der Wille zwar vorhanden war, mussten aber zumindest die Einbeinigen und Bewusstlosen rausgenommen werden, blieben also nur mehr 11 Spieler, die zumindest auf beiden Beinen aufrecht stehen konnten. Noch. Mit dabei tatsächlich 2 unversehrte und „frische“ Feldspieler.
Es gab weiteres ein gleichermaßen unglaubliches wie seltenes Griss um die Innenverteidigerposten, weil gehofft wurde, dort am wenigsten laufen zu müssen. Womit einmal eine völlig neue Viererkette zusammengestellt wurde, die hinter einem völlig neuen Sechserduo Aufstellung nahm. Die 4 Offensivspieler hatten zumindest teilweise schon irgendwann einmal miteinander gespielt.
Die Taktikbesprechung fiel aus, es wurde lediglich das Verbot ausgesprochen, mittels Humpelns den Gegner auf unsere körperlichen Defizite und Blessuren aufmerksam zu machen. Dieser hatte ja im Frühjahr eine imposante Statistik aufzuweisen, und unser Ziel war erst einmal, kein Debakel zu erleben.
30 Sekunden nach Anpfiff dann das erste Highlight, bei der der erste unserer Spieler den Schiedsrichter fragte, wie lange es denn noch gehe. Ansonsten sah das Ganze überraschenderweise gefällig aus, insbesondere in Minute 5 eine wunderschöne Aktion wie aus einem Karl May – Lehrbuch: „Blutergossene Ferse“ und „Gelaufener Meter“ entschärfen einen gegnerischen Angriff, der Spielaufbau erfolgt über „Zwickenden Schenkel“ und „Blaues Knie“ unter Einbindung von „Kaputte Zehe“ rüber zu „Fehlendes Kreuzband“. Einem Doppelpass mit „Gespaltenen Meniskus“ folgte der Spielverlagerung zu „Müder Wade“, der wiederum „Eingerissenes Sprunggelenksband“ einsetzt. Dieser überspielt auf der Fläche eines i-Phones zuerst einen, dann zwei, dann drei…ja, genau 11 Gegenspieler, bis er am gezählten 12-ten hängenbleibt. Leider kein Abschluss, womit, „Schiefe Schulter“, „Schmerzender Rücken“, „Schlaflose Locke“ und nicht zuletzt „Geplatztes Augenlid“ sich auf der Ersatzbank (oder im Zuschauerraum) wieder ächzend hinsetzten.
Dann aber das Spiel, das wir erwartet hatten, und nur mit viel Glück gepaart mit etwas Unvermögen der Gäste blieb unser Kasten sauber. In Anbetracht der Situation hatten wir aber (Betonung auf „relativ“) viele Spielanteile, aus der aber selten richtige Gegenangriffe resultierten. Meistens wurden wir 25 Meter vor dem gegnerischen Tor gestoppt, in der 18 Minute ebendort nicht regelkonform. Womit sich Goldschuh (pardon, heute „Gelaufener Meter“) nach vorne schleppte, und den Ball freistoßschießend ins Kreuzeck schlenzte. Eine überraschende Führung, die die Gäste zumindest bis zur Pause deutlich lähmte.
In dieser wurde auf unserer Seite erörtert, was wir den jetzt machen sollten – denn bei allen 52 verschieden ausgearbeiteten Konzepte war von allen Eventualitäten, nur von keiner Führung von uns, ausgegangen worden.
Das sollte sich auch als nicht relevant herausstellen, denn 3 Minuten später war dieser Zustand sowieso Geschichte. Jetzt merkte man deutlich, dass bei uns praktisch alles aus dem letzten Loch pfiff, und 20 Minuten vor Schluss die vermeintliche Entscheidung, als die Gäste ein konditionsbedingtes Geschenk annahmen. Was zu tun blieb, wurde getan. Denn da lief noch „der Spieler ohne Namen“ bei uns herum, der bisher einer Namensgebung durch das hartnäckige Sammeln gelber Karten aus dem Weg gegangen war. Der Stammesältester „Kaputte Zehe“ hatte Mitleid, und taufte diesen – wie es sich bei Karl May so gehört mit richtig viel Blut – kurzerhand auf den Namen „Gebrochene Nase“, welches uns als Mannschaft wiederum der Verleihung des „goldenen Defribilators“ - eine seltene Auszeichnung der Wiener Spitäler für die massive Förderung zur Erhaltung ihrer Krankenhausarbeitsplätze – näherbrachte, da wir derzeit unangefochten Platz 1 in der Wertung innehaben.
Ersetzt wurde er von Mr. Green, wie auch „Schlafslose Locke“ – in seiner mittlerweile 41 Stunden andauernden Wachphase – „Fehlendes Kreuzband“ ersetzen musste. Und dann passierte etwas Unerwartetes: Plötzlich wurden wir wieder offensiver, und bei dem etwas zu forschen Tackling im gegnerischen Strafraum zeigte der Schiri auf den Elfmeterpunkt. Verständlich die wütenden Proteste der Gäste, denn es war wohl eine 50:50 Entscheidung, möglicherweise schlug das Pendel wegen einer ähnlichen Szene kurz davor in Richtung Strafstoß aus. Wie dem auch sei, wir haben schon Elfmeter gegen uns bekommen für weniger. Ausgleich (wieder Goldschuh, der sein 2. Tor als Innenverteidiger machte) – und falls es wirklich eine Fehlentscheidung des Unparteiischen gewesen wäre, kompensierte er es daraufhin mehr als notwendig. Denn der Ball befand sich plötzlich ein drittes Mal im gegnerischen Kasten, dass der Ball dabei vorher im Tor-out gewesen sein soll, ist leider bestenfalls ein Märchen.
Womit das Glückspendel abermals nicht in unsere Richtung ausschlug (die Topchancen der Gegner übersehen wir hier in subjektiver Gier einmal nonchalant). Warum man aber bei 2 angezeigten Nachspielzeitminuten dann in der letzten Sekunde der dritten Nachspielzeitminute bei der Ausführung einer Ecke dafür den dritten Gegentreffer erhalten muss, bleibt Fortunas süßes Geheimnis.
Warum hielt sich der Ärger dennoch in Grenzen? Nun, der Sieg der Gegner war letztendlich nicht unverdient (wo habe ich denn die Subjektivbrille plötzlich hin verlegt?), außerdem waren wir selbst zum Ärgern zu müde. Und die Optimisten trösten uns damit, dass das alles zurückkommen wird, und wie es unter Optimisten so üblich ist, haben sie dafür auch schon eine genaue Zeitangabe: „Irgendwann“.
Tore:
1:0 Dominik Kratschmer (18. Min.)
2:2 Dominik Kratschmer (81. Min.)
Kommentar schreiben